Direkt zum Hauptbereich

GPLv3 veröffentlicht

Vorigen Freitag wurde die dritte Version der GNU General Public Licence, kurz: GPLv3, veröffentlicht – da nun GPL-Software-Anwender und auch -Entwickler gleichermaßen verunsichert sind, was das bedeutet, soll hier versucht werden, die wichtigsten Änderungen und auch Grundlegendes zur GPL allgemein und zur GPLv3 speziell herauszuarbeiten.

Zuerst einmal ist es wichtig, die grundlegenden Unterschiede von GPL und BSD-Lizenz zu kennen: während die GPL das Ziel hat, sicherzustellen, dass Quelltext eines Programms niemals unfrei werden kann bzw. in proprietärer Software verwendet werden kann, soll die BSD-Lizenz sicherstellen, dass jeder, wirklich jeder, BSD-Software nach Belieben verwerten kann. So können Dritte ein BSD-Programm in proprietäre Software implementieren und diese kommerziell vertreiben, ohne den Urheber zu entschädigen – bei einem GPL-Programm ist das nicht möglich, es sei denn, die ursprünglichen Autoren entscheiden sich, spätere Versionen nur noch unter einer kommerziellen Lizenz zu veröffentlichen. Da die meisten größeren GPL-Programme jedoch nicht nur von zwei oder drei, sondern von sehr vielen Personen entwickelt werden, ist sehr unwahrscheinlich, dass das passiert.

Die GPL soll also die Rechte des Anwenders stärken und sicherstellen, dass ein Programm niemals unfrei wird – sie ist also eine Copyleft-Lizenz. BSD-artige Lizenzen hingegen räumen allen Menschen die gleichen Rechte ein. Beide Lizenzen haben ihre Daseinsberechtigung – während die GPL von Richard Stallmann, dem Gründer der FSF (Free Software Foundation) und des GNU-Projekts entwickelt wurde, wurde die BSD-Lizenz von der Berkley-University entwickelt; Stallmann hatte mit dem GNU-Projekt das Ziel, eine freie Alternative zu den kommerziellen Unix-Systemen zu entwickeln, die für Privatanwender oft unerschwinglich teuer waren – hierzu hat er seine Stelle am MIT gekündigt, um sicherzustellen, dass das MIT keine Rechte an seiner Arbeit hat.

Die Berkley-University nun hat die BSD-Lizenz entwickelt, da in den USA Universitäten hohe Fördergelder vom Staat erhalten und es allgemein üblich ist, dass die Erkenntnisse und Forschungsergebnisse, die mit diesen Fördergeldern erworben werden, an die Allgemeinheit zurück fließen – hier ist die BSD-Lizenz logischerweise optimal, die GPL wäre dafür vollkommen ungeeignet.
  • Rechtssicherheit. Die neue GPL-Version stellt sicher, dass die GPL nicht mehr umgangen werden kann: die GPL hat das Ziel, dass ein Programm frei bleibt – dies wurde von findigen Hardwareherstellern umgangen und zwar durch DRM-Maßnahmen. Im deutschen Rechtssystem war das schon bisher unmöglich, weil das deutsche Recht darauf achtet, welches Ziel ein Vertrag verfolgt – die Intention ist also wichtig. In den USA hingegen wird strikt darauf geachtet, was ein Vertrag vorschreibt: die GPLv2 hat diese Vorgehensweise nicht verboten, also ist sie rechtlich erlaubt. Ein schmutziger Trick und ein Schlag ins Gesicht der Entwickler Freier Software, aber rechtlich einwandfrei -- mit der GPLv3 nicht mehr möglich.
  • Grundlegendes. Die GPL ist in Deutschland rechtlich anerkannt und wurde schon durch Gerichtsurteile bestätigt. Hierzu gibt es entsprechende Gerichtsurteile. Wer GPL-Code verwendet und davon abgeleitete Programme nicht ebenfalls unter die GPL stellt, hat drei Möglichkeiten:
    1. Den Teil neuschreiben, der aus GPL-Code besteht. Damit kann man mit dem Programm machen, was man will.

    2. Das komplette Programm unter der GPL veröffentlichen.

    3. Den Vertrieb des Programms einstellen.
  • Patente und Patenttrolle. Was ebenfalls neu ist, ist, dass Patentabkommen, wie sie beim umstrittenen Microsoft-Novell-Deal geschlossen wurden, unmöglich wurden – ein Hersteller, der ein solches Abkommen schließt, darf GPLv3-Software nicht verwenden; Novell stellt hier die Ausnahme da, da der Stichtag für diese Klausel nach diesem Abkommen liegt. Grund für diese Maßnahme: durch Patentankommen würde der Kampf um Freiheit torpediert – ein eigentlich freies Programm stünde unter der Gefahr, gegen ein Softwarepatent zu verstoßen; diese Softwarepatente sind zumindest Trivialpatente: Unternehmen patentieren Lösungsmöglichkeiten bzw. Gedankengänge – so gibt es Patente auf triviale Dinge wie Mauszeiger, Scrollbalken und ähnliche Albernheiten; jeder große Softwarehersteller ist gezwungen, in diesem schmutzigen Spiel mitzuspielen, da jeder Softwarehersteller potentiell gegen Softwarepatente verstößt; deshalb füllt jedes Unternehmen ständig das eigene Patent-Portfolio auf, was zu einem Zustand führt, der mit dem Wettrüsten zur Zeit des Kalten Krieges vergleichbar ist: dadurch, dass jedes Softwareunternehmen Softwarepatente hat, ist es für andere Softwareunternehmen unmöglich, sie deshalb zu verklagen – eine Ausnahme dazu stellen »Patenttrolle« dar; Patenttrolle sind Unternehmen, die keine eigene Software vertreiben, jedoch Patente haben, mit denen sie andere Unternehmen, die Software, die diese Patente »verletzen«, zur Kasse bitten können – ein mehr als schmutziges Geschäft.
    Glücklicherweise gibt es in der EU keine Softwarepatente – noch. Es bleibt zu hoffen, dass sich das nicht ändert und dass das Europäische Parlament nicht umfällt – aber das nur am Rande.
  • Copyleft. Die GPL ist eine Copyleft-Lizenz. Das bedeutet, dass die GPLv3 zur GPLv2 inkompatibel ist – das ist nicht absurd, sondern vollkommen logisch. Programme, die unter GPLv2 mit dem Zusatz or later stehen, können problemlos unter der GPLv3 verwendet werden: jeder Anwender und Programmierer kann entscheiden, was ihm besser gefällt. GPLv2-Code kann also zu GPLv3-Code werden, GPLv3-Code jedoch nicht zu GPLv2-Code. Feinde von Freier Software wie Steve Ballmer bezeichnen dies als viralen Charakter, was natürlich absurd ist: niemand wird gezwungen, GPL-Software zu verwenden und Software unter der GPL zu veröffentlichen: die GPL verbreitet sich nicht selbstständig. Wer proprietäre Programme benutzen möchte, darf das gerne tun — wer GPL-Software verwenden möchte, muss sich an die Spielregeln halten. Recht muss Recht bleiben.
  • Akzeptanz. Das GNU-Projekt wird, soweit die FSF daran die Rechte hat, recht geschlossen zur GPLv3 wechseln – weitere große und sehr wichtige GPL-Programme wie Samba haben diesen Schritt ebenfalls schon angekündigt. Die GPLv3 ist, das kann man schon heute sagen, ein Erfolgsmodell – die Rechte von Programmieren, Firmen und Anwendern gleichermaßen werden gestärkt. (Natürlich nur, falls man sich an die Spielregeln hält.)
  • Linux. Was wurde nicht alles spekuliert. Wird Linux jemals GPLv3 werden? Wie wichtig ist die GPLv3, wenn noch nicht einmal Linux, der Kernel des wichtigsten freien Betriebssystem, GNU/Linux, diese Version einsetzt? Was denkt Linus Torvalds, der „Vater“ von Linux? Ein paar Fakten:
    • Linux steht zu Teilen unter GPLv2 only, teilweise unspezifiziert unter GPL und teilweise unter GPLv2 or later. Das bedeutet, dass Linux nur zu GPLv3 werden kann, wenn die Autoren des Codes, der unter GPLv2 only steht, dem zustimmen und/oder wenn die Teile, die GPLv2 only sind, neugeschrieben werden.
    • Linus Torvalds stand der GPLv3 anfänglich sehr skeptisch gegenüber. Seine Ablehnung rührte daher, dass er eher Pragmatiker ist – trotzdem steht Torvalds zu seiner Entscheidung für die GPL. In einem Interview bezeichnete er die Entscheidung, GPL für Linux zu verwenden, als „die beste [Entscheidung] meines Lebens“. Diese grundlegende Ablehnung der GPLv3 ist verschwunden – ein latentes Misstrauen ist noch vorhanden.
    • Im Moment bringt es den Kernel-Hackern nichts, Arbeit und, viel wichtiger, Zeit, in das Umstellen der Lizenz zu investieren – das könnte sich ändern, wenn SUN sein Versprechen wahr macht und OpenSolaris unter der GPLv3 veröffentlich. Unter diesen Umständen kann es sich Linus vorstellen, zur GPLv3 zu wechseln – allerdings glaubt er SUN nicht.
Fazit: die GPL im Allgemeinen war und ist ein Erfolgsmodell – auch die GPLv3 wird ein Erfolgsmodell sein. Ich zitiere Eben Moglen, den Anwalt der Free Software Foundation: „This is another great moment in the long history of the search for liberation and the difference is this time we win. Freedom, now!“

Quellen & Literatur:

Beliebte Posts aus diesem Blog

Präsident Obama umarmt Gabrielle Giffords

Quelle

Schöffen leben gefährlich

Der Artikel ist zwar noch etwas älter vom 13.3., aber so skurril, dass ich geradezu darauf verweisen muss : Seit rund fünf Jahren arbeitet der Pensionär Peter Wenske-Wallner als ehrenamtlicher Schöffe am Amtsgericht Mainz. Zu Beginn jeden Jahres, so auch in 2007, erhielt er seine Liste mit den möglichen Terminen. Diesen folgen dann konkrete Einladungen, jeweils zweifach per Post und per Bote. So erreichte ihn auch die Einladung zum Gerichtstermin am 23. Oktober 2007. Und dann passierte Wenske-Wallner ein Versehen: Er trug diesen Termin in seinem persönlichen Kalender auf den 24. Oktober ein. [...] Nach nicht weniger als gut 15 Monaten, datiert vom 5. Februar 2009, traf an Wenske-Wallners Privatadresse ein Brief mit der Mitteilung eines “Kostenbeschlusses“ ein, ein paar Tage später der Kostenbescheid über genau 803,50 Euro. Per E-Mail teilte er unverzüglich mit, dass er lieber in das Gefängnis geht. Denn die Geldstrafe liegt höher als seine monatliche Nettorente. Nachdem er dies auch no

Der leere Stuhl

Großartig. Ich mag das sehr, wie Eastwood ein Gespräch mit dem Präsidenten darstellt und dabei so tut, als würde er den Faden verlieren bzw. die Themen wie bei einem echten Gespräch wechseln. Man darf sich dabei sicher sein, dass keine Pause zufällig und kein Stocken ein Versehen ist. Es ist eine große Show.