Direkt zum Hauptbereich

„Gott sei Dank“: StudiVZ und die Nutzer

Heute ein klassisches Lehrstück schlechter Informationspolitik, präsentiert von StudiVZ. Marcus Riecke, der Chef von StudiVZ, äußert sich in einem Interview bei Spiegel Online folgendermaßen:
Wir haben die Geschäftsbedingungen und die Datenschutzerklärung aus zwei Gründen geändert. Zum einen, um zielgerichtet werben zu können. Zum anderen, um Konflikte mit Ermittlungsbehörden zu vermeiden. […] Wir stehen da zwischen den Fronten. Auf der einen Seite der Datenschutz, auf der anderen Seite die Ermittler. Das Telemediengesetz verbietet uns, ohne Zustimmung der Nutzer Nutzungsdaten zu speichern. So hat der BGH vorigen Herbst entschieden. Die Kripo- und LKA-Beamten verlangen aber genau diese Daten von uns, die wir laut Datenschützern nicht speichern dürfen. Deshalb haben wir die Nutzer der Speicherung der Nutzungsdaten zustimmen lassen. […] Gott sei Dank dürfen wir bei Ermittlungsersuchen solche Daten nun herausgeben. Nutzungsdaten speichern wir bei allen Nutzern, die uns das erlaubt haben durch ihre Einwilligung.

Bei StudiVZ gehen daraufhin wahrscheinlich erboste E-Mails ein und Samir Barden, Head of Customer Care bei StudiVZ, äußert sich in einer klassischen Panikreaktion bei StudiVZ in einer offiziellen Mitteilung an die Nutzer, leider nur lesbar mit StudiVZ-Konto:
In der Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins mit professionellem Image wurde unser Geschäftsführer Marcus Riecke falsch zitiert. […] Dass wir Daten an Strafverfolgungsbehörden - also Polizei und Staatsanwaltschaft - herausgeben müssen, wenn diese uns ein schriftliches Auskunftsersuchen zukommen lassen, ist weder neu noch unseriös, sondern dient letztlich Eurem Schutz. Es geht hier um Morddrohungen, radikales Gedankengut, Verleumdungen, schwere Beleidigungen und weitere heftige Dinge, welche in unserem Land genauso wie im studiVZ eine klare und zu ahndende Straftat darstellen. Ein Auskunftsersuchen ist immer mit einer Anzeige verbunden, die von den Geschädigten erstattet wurden, zum Beispiel einem Nutzer aus Euren Reihen. Das wird überall genauso gehandhabt und hat nichts mit Spionage zu tun! […] Dass wir Bilder und Daten an die Polizei geben, weil Ihr Euch darauf ein gemütliches Tütchen ansteckt, ist komplett erfunden und gelogen.

Richtig ist: jeder Anbieter von Onlineportalen muss auf einen richterlichen Entscheid die fraglichen Daten herausgeben. Falsch ist, dass die Entscheidung des BGH so eindeutig ist, wie der Geschäftsführer von StudiVZ behauptet. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass StudiVZ weitaus mehr und länger speichert, als rechtlich notwendig wäre. Zu behaupten, dies diene dem Schutz der Nutzer, ist reine Augenwischerei und wohl nicht mehr als eine Schutzbehauptung.

Interessant auch, dass man so flott bei der Hand ist, dem größten und reichweitenstärksten Nachrichtenportal Deutschlands mal eben eine dreiste Lüge vorzuwerfen. Sollte Spiegel Online das Interview tatsächlich ohne Nachfrage frisiert haben, wäre dies in der Tat ein Skandal. Es ist jedoch reichlich unwahrscheinlich, dass sich Spiegel Online ohne Not so weit aus dem Fenster lehnen würde: viel wahrscheinlicher ist es doch, dass der StudiVZ-Geschäftsführer ganz offensichtlich kein gutes Händchen in Öffentlichkeitsarbeit bzw. nicht viel Ahnung vom Betreuen einer Internetgemeinschaft hat. Wenn man mal überlegt, welche Skandale sich StudiVZ schon geleistet hat, erscheint es ganz und gar nicht absurd, dass StudiVZ-Geschäftsführer nicht viel Ahnung von diesem Internet-Dingens haben müssen.

(Hervorhebungen in den Zitaten von mir.)

Beliebte Posts aus diesem Blog

Präsident Obama umarmt Gabrielle Giffords

Quelle

Schöffen leben gefährlich

Der Artikel ist zwar noch etwas älter vom 13.3., aber so skurril, dass ich geradezu darauf verweisen muss : Seit rund fünf Jahren arbeitet der Pensionär Peter Wenske-Wallner als ehrenamtlicher Schöffe am Amtsgericht Mainz. Zu Beginn jeden Jahres, so auch in 2007, erhielt er seine Liste mit den möglichen Terminen. Diesen folgen dann konkrete Einladungen, jeweils zweifach per Post und per Bote. So erreichte ihn auch die Einladung zum Gerichtstermin am 23. Oktober 2007. Und dann passierte Wenske-Wallner ein Versehen: Er trug diesen Termin in seinem persönlichen Kalender auf den 24. Oktober ein. [...] Nach nicht weniger als gut 15 Monaten, datiert vom 5. Februar 2009, traf an Wenske-Wallners Privatadresse ein Brief mit der Mitteilung eines “Kostenbeschlusses“ ein, ein paar Tage später der Kostenbescheid über genau 803,50 Euro. Per E-Mail teilte er unverzüglich mit, dass er lieber in das Gefängnis geht. Denn die Geldstrafe liegt höher als seine monatliche Nettorente. Nachdem er dies auch no

Der leere Stuhl

Großartig. Ich mag das sehr, wie Eastwood ein Gespräch mit dem Präsidenten darstellt und dabei so tut, als würde er den Faden verlieren bzw. die Themen wie bei einem echten Gespräch wechseln. Man darf sich dabei sicher sein, dass keine Pause zufällig und kein Stocken ein Versehen ist. Es ist eine große Show.