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Lose Gedanken zum Beck-Rücktritt

Es sage nochmal einer, Politik sei langweilig. Was am Wochenende los war, würde in einem ernsthaften Politthriller als unglaubwürdig bezeichnet - und dennoch ist es passiert.

Am Sonntag wollte das Präsidium der SPD zusammentreffen, um über die inhaltliche Ausrichtung der SPD zu sprechen. Kurt Beck hatte jedoch geplant, im Einvernehmen mit Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering, Frank-Walter Steinmeier zum Kanzlerkandidaten ausrufen zu lassen. Wer in diese Planung eingeweiht war bleibt offen, es ist die Rede vom erweiterten Führungskreis der SPD.

Der Plan flog auf, der SPIEGEL berichtete in einer Exlusivmeldung, dass Frank-Walter Steinmeier Kandidat werden würde. Damit war der schöne Plan im Eimer: der SPIEGEL berichtete nicht nur darüber, sondern stellte es so dar, als ob Kurt Beck sich überreden ließ und Frank-Walter Steinmeier ganz alleine das Heft in der Hand hatte.

Dass dies offenkundig nicht der Wahrheit entspricht und somit der komplette aktuelle Artikel im SPIEGEL nutzlos ist, ist mittlerweile klar. Kurt Beck ist wegen dieser Indiskretion an die Presse zurückgetreten: wo das Leck ist, ist noch immer unklar. Klar ist jedoch: die erste Reihe hatte nichts damit zu tun, das hat Kurt Beck eindeutig festgestellt.

Teilweise wird vermutet, das Leck sei bei der Parteilinken zu suchen, was selbstverständlich totaler Blödsinn ist: Kurt Beck war einer der wenigen Parteivorsitzenden, der die Parteilinke ernstgenommen hat, ohne ihr jedoch selbst anzugehören. Gehörte Kurt Beck der Parteilinken an, hätte er niemals Mehrheiten im konservativen Rheinland-Pfalz erreichen können.

Kurt Beck hat seinen Rücktritt damit begründet, dass sein offener Führungsstil mit Vertrauensmissbrauch entlohnt wurde. Die Konsequenz, die Franz Müntefering daraus wahrscheinlich ziehen wird: einsame Entscheidungen, weniger Kommunikation, damit ein Desaster wie am Wochenende nicht erneut passiert.

Eine nüchterne Bestandsaufnahme, wem man im Willy-Brandt-Haus vertrauen kann und wem nicht, sollte ebenfalls erfolgen. Die Presse kann nur schreiben, worüber sie auch informiert wird.

Kurt Becks Sicht der Dinge ist ebenfalls ungemein wichtig für die Bewertung der Ereignisse: die Hauptstadt hat ihn niemals akzeptiert. Kurt Beck war für sie immer nur einer aus der Provinz. Und im Gegensatz zu Helmut Kohl ist Kurt Beck keiner, der knallhart die Leute auf Linie bringt, sondern auch die andere Meinung hört und für wichtig erachtet. Der mal mit einem Bauarbeiter spricht, der auch an den Dachdecker denkt, der nach 40 Jahren Arbeit nicht mehr körperlich arbeiten kann.

Insofern war Kurt Becks Entscheidung folgerichtig: Teile der Hauptstadt konnten nicht mit ihm umgehen, also ist er gegangen. Wären es nur Teile der Hauptstadt-Journaille gewesen, geschenkt. Aber gegen die eigenen Leute arbeiten, das kann niemand. Es ist gut für Rheinland-Pfalz, dass Kurt Beck wieder voll für die Menschen dort zur Verfügung steht. Ein SPD-Vorsitzender heute kann offensichtlich nicht gleichzeitig Ministerpräsident, Kanzler oder Vizekanzler sein, das beweist das Scheitern von Schröder, Müntefering, Platzeck und Beck.

Es war wichtig, dass Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering bekräftigt haben, dass die Hamburger Beschlüsse nach wie vor Gültigkeit haben. Alles andere würde die Partei nicht mitmachen. Nun kommt es weiter darauf an, wie das Wahlprogramm der SPD für 2009 aussieht. Und es kommt auf die Fähigkeit Münteferings an, auf den linken Parteiflügel zuzugehen. Es darf keine Basta-Beschlüsse mehr geben.

Die Bundestagswahl 2009 ist noch nicht entschieden. Momentan sieht es nicht gut aus, aber mit einem ordentlichen Programm und einem guten sozialdemokratischen Wahlkampf kann man das ändern.

Nachtrag, 17.46 Uhr: Artikel wegen des WELT-Artikels ein wenig erweitert.

Nachtrag, 17.58 Uhr: Das Blog SPD Watch hält die Ereignisse für einen Putsch. Vielleicht sollten sie weniger watchen, sondern vielmehr auch mal nachdenken. Wäre es wirklich ein Putsch gewesen, welchen Grund hätte Kurt Beck haben sollen, dies nicht auch zu sagen? Sein Landesverband wäre dennoch hinter ihm gestanden, wahrscheinlich sogar noch mehr als er es eh schon tut. Es gibt keinerlei Druckmittel gegen Kurt Beck, insofern ist es absurd zu glauben, er würde den Putsch erst zulassen und dann die Dinge nicht beim Namen nennen. Welchen Grund sollte er dafür haben? Rücksicht auf die Partei wäre der einzige, der mir einfiele. Aber selbst Rücksicht auf die Partei hat seine Grenzen, außerdem ist der Schaden für die Partei wohl größer, wenn ein Putsch erfolgreich ist. Schade, dass man bei SPD Watch nicht kommentieren kann, wie es bei einem normalen Blog so üblich ist.

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